Kanonischer Pfarrer Dr. Gavin Ashenden (LL.B. B.A., M.Th, D.Phil)
Hauptgeistlicher und Dozent für Religionspsychologie an der Universität von Sussex, Prüfungsgeistlicher des Bischofs von Chichester, Diözesanberater für New-Age-Religionen, Mitglied der Generalsynode der Kirche von England
Gedanken zur ökumenischen Pilgerreise des Wahren Lebens in Gott im Jahr 2007
Jede Pilgerfahrt findet auf mehreren Ebenen gleichzeitig statt: Orte, Gebet, Reinigung und Menschen, und so war es auch bei dieser.
ORTE
Vielleicht ist das der am ehesten einleuchtende Aspekt einer Pilgerreise: Man besucht Orte, die in der Geschichte und im Erleben der Kirche von Bedeutung waren, und die Pilgerreise wird erweitert durch Raum und Zeit. Die Überlegungen dazu mögen verschieden sein, doch auf jeden von uns werden ein oder zwei dieser Stätten eine besondere Wirkung ausgeübt haben. Es war fesselnd, die Gräber in Kappadozien zu sehen, wo sich die Christen in Zeiten der Not verborgen hielten. Die Landschaft war ganz anders als alles, was ich bisher je gesehen hatte.
Doch was mich am meisten beeindruckte, war das Haus Mariens in Ephesus. Einige Leute hatten über die Wirkung dieses Ortes gesprochen. Ich wusste nicht, wonach ich suchte, obwohl eine der Veränderungen, die die Botschaften vom Wahren Leben in Gott bei mir bewirkt haben, darin besteht, meine Augen für die Bedeutung Mariens, der Mutter unseres Herrn, zu öffnen. Auf Pilgerfahrt zu gehen heißt, zu wissen, dass man seinen Horizont erweitern wird, dass man seine Ansichten klärt und manchmal völlig verändert. Ich als Anglikaner hatte schon immer gewusst, dass Sie theologisch von Bedeutung ist. Ich hatte stets Ihren Titel als Theotokos in Ehren gehalten. Doch es waren andere Priester und Laien, nicht ich selbst, die über ihre Nähe zu Ihr berichteten. Das amüsierte mich ein wenig und ich dachte, dass das eventuell Teil des psychologischen Persönlichkeitsprofils sei; vielleicht eine Art Zusammenwirken mit dem Weiblichen.
Dann stellte ich in den Botschaften fest, wie lebhaft, lebendig, wichtig und umfassend die heilige Maria ist.. Und ich merkte, dass das nicht länger eine Sache der persönlichen Vorliebe sein sollte, sondern dass ich irgendwie stärker in meinen Gebeten und in meiner Beziehung zu Gott werden sollte. Ihr Haus und der Ort, wo es steht, trug viel zu diesem erwachenden Bewusstsein bei. Es gab eine besondere Farbintensität an diesem Ort. Die Luft war etwas leuchtender, so schien es mir. Das Gras hatte einen Glanz, der ganz außerordentlich war. Es war fruchtbar und üppig, tief und vibrierend. Die Eucharistiefeier verlieh eine besondere Freude. Das war keine Sache der Gruppendynamik; es war ein Eintritt in eine tiefere Beziehung mit Gott, auf eine Art, die einfach geschenkt wird. Dieser Ort schenkte es, was natürlich heißt, dass die Muttergottes uns das schenkte. Dieser Ort bietet nicht eine ausschließliche Nähe zu unserem Herrn und Seiner Mutter an, sondern er zeigt, zu welcher Tiefe wir berufen sind. Und durch unsere Gebete und unsere Aufmerksamkeit können wir vielleicht selbst Ihr und unserem Herrn erlauben, die Orte, in die wir hineingestellt wurden, auszuweiten und zu prächtigeren Toren in das Reich Gottes zu machen.
Seit ich wusste, dass wir nach Izmir, Ephesus, kamen hörte ich im Geiste ein Echo der Hymne: "Groß ist die Diana der Epheser". Es wird offenkundig aus der Heiligen Schrift und aus der Geschichte, dass Ephesus ein herausragender Ort war, verständlicherweise erfüllt von seiner eigenen Bedeutung. Als ich die Hauptstraße hinunter ging, wuchs meine Bewunderung für den heiligen Paulus ins Grenzenlose. Hier anzukommen mit dem Evangelium und es mit all dieser Macht, dem Reichtum und den althergebrachten Privilegien aufzunehmen, und eine Bedrohung für sie zu werden, wie es in der Apostelgeschichte beschrieben wird, und dann Menschen zu einer Erfahrung mit dem auferstandenen Christus zu führen … welch ein Mut und welche Heiligkeit!
Patmos berührte mich am meisten. Es kann Einbildung gewesen sein, doch ich hatte das Gefühl, als ob über der Türkei ein grauer Schleier läge, und er begann sich zu heben, als wir uns auf die griechischen Inseln zu bewegten. Es erschien mir wie Metaphysik anstelle der Atmosphäre, doch was es auch war, es war wirklich und viel mehr als nur das Wetter.
Kurz nach meiner Bekehrung als junger Jurastudent hatte ich einen anglikanischen Priester getroffen, der mir mitteilte, welch ein tiefes Erneuerungserlebnis er erfahren hatte, als er nach Patmos gefahren war, in der Höhle des Heiligen Johannes gesessen und die Apokalypse auf Griechisch gelesen hatte. Eines Tages, so dachte ich, möchte ich das auch tun. Der Tag ist schließlich gekommen, 30 Jahre später.
Und so bewirkte die Pilgerfahrt noch eine weitere Veränderung: eine Beziehung zu dem letzten Buch in der Bibel. In akademischen theologischen Kreisen hat man lange vermutet, dass die Apokalypse nicht von derselben Person geschrieben worden sei, die das vierte Evangelium verfasst hat; und wenn Johannes, der Lieblingsjünger, das vierte Evangelium schrieb, dann verfasste ein anderer Johannes die Apokalypse. Doch mein Erlebnis in Patmos hat mich belehrt, meine Perspektive wieder auf die Dynamik des himmlischen Königreichs zu richten.
Es gibt das Argument, dass der Schreibstil, die Grammatik, der Wortschatz und die Beherrschung des Griechischen selbst bei den beiden Texten sehr unterschiedlich sind. Ich erfuhr jetzt über den Gehilfen des heiligen Johannes, der in der Tradition bekannt ist, wenn man ihn in akademischen Kreisen auch bezweifelt. Angesichts der Möglichkeit, dass einiges in der Verantwortlichkeit des Gehilfen des Johannes liegt, der es niedergeschrieben hat, wurde das Buch für mich erneut zu einer Quelle der Offenbarung und der Inspiration. Es wurde auf meine theologische Landkarte zurückversetzt. Noch viel wichtiger als das war meine Entdeckung, dass unser Herr in bestimmten Teilen der WLIG-Botschaften viel aus der Apokalypse zitiert. Mein theologisches Denken wurde umgewandelt. Wenn Jesus Recht hat, muss ich Unrecht haben. Und ich bemerke, dass ich durch die Botschaften einen neuen Geschmack an Metaphern und Hyperbeln gefunden habe, welchen ich schon als einen Schwerpunkt unseres Herrn in der Bibel erkannt hatte, der aber in den WLIG-Botschaften besonders lebendig ist.
Und meine Vorstellungen von der Grotte waren ganz falsch gewesen! Ich hatte sie mir als eine traditionelle Grotte am Meeresstrand vorgestellt. Stattdessen glich sie mehr einem Schoß am Bergabhang.
GEBET
Ich fand, dass sich bei meiner Erfahrung mit der Konzelebration der Eucharistiefeier so etwas wie eine Verschiebung ereignete. Das erste Erlebnis war Erstaunen gewesen, dass so etwas vor meinen Augen stattfinden könnte. Einen Kardinal-Erzbischof zu sehen, wie er ehrfürchtig an der Eucharistiefeier teilnahm, der der Anglikanische Bischof von Jerusalem als Hauptzelebrant vorstand, war bewegender, als ich mit Worten schildern kann; es bedeutet Heilung von so vielen Missverständnissen und Antagonismus.
Auf der letzten Pilgerreise im Jahre 2005 sah ich diese Messfeiern als zukünftiges, prophetisches Zeugnis dessen an, was Gott wünschte, was aber in der Kirche erst in ferner Zukunft verwirklicht werden könnte. Diesmal empfand ich sie als völlig normal. Das, was wir regelmäßig in unserer konfessionellen Fragmentierung vollbrachten, war der Irrweg; dieses Zusammensein rund um den Altar war die Kirche. Dieses war normal. Dieses war wirklicher. Schließlich ist es wie an Weihnachten, wenn eine Familie, die sich in die vier Enden der Erde zerstreut und zu lange keinen Kontakt mehr miteinander hatte, nach Hause kommt, um an einem Tisch zu sitzen und zu feiern. Wir sind nicht die Kirche ohne die anderen.
Unvermeidlich erhebt sich durch die WLIG-Pilgerreise die Frage, wie richtig es ist, die theologischen Fragen zurückzustellen, welche den Weg zur sakramentalen Einheit darstellen. In den Botschaften sehen wir, dass der Herr unsere Vorurteile in der Theologie umstößt. Als die Heilige Eucharistie jeden Tag mit den verschiedenen Gesichtern der Kirche, Katholiken, Orthodoxen und Anglikanern, die alle vom Heiligen Geist erfüllt waren, gefeiert wurde, da wurde die Antwort so klar: zuerst rund um den Altar. Anstelle der Heiligen Eucharistie und unserer Sakramententheologie und der Kirchenpolitik als entscheidende Themen gab es hier eine geheilte Kirche; der Leib unseres Herrn wieder hergestellt; die Herrlichkeit der getrennten Stränge, die zusammen gewoben wurden, als Er unter uns gegenwärtig wurde im Brot und im Wein, und in der Hingabe, Anbetung und Liebe. Diese täglichen Eucharistiefeiern wandelten eine theologische Betrachtungsweise in den Vorgeschmack vom Königreich im Himmel um.
Jede Feier hatte ihre eigene Art von Glückseligkeit. Doch für mich waren die beiden intensivsten die Hl. Messe am Haus Mariens in Ephesus, wo die Luft und der Boden mit einer Süßigkeit geladen waren, welche in unsere Gebete hinein floss, und an Pfingsten auf Patmos, wo wir über der Grotte standen, in welcher dem heiligen Johannes ein Einblick in die Zukunft von Zeit und Raum gewährt wurde, und wo auch wir einen Einblick in die Kirche erhielten, die prophetisch nach dem Plan des Herrn zusammen gekommen war, die eins geworden war in der Eucharistie und zusammengeschweißt worden war durch die zentripetale Energie der Liebe.
Aber das kostet etwas. Nun, da ich zu Hause bin, schaue ich mich um, wenn die Heilige Eucharistie dargebracht wird, und sage mir: Wo ist die restliche Kirche?
REINIGUNG
Es geschieht etwas, wenn man die Botschaften liest. Ich bemerkte, dass dabei eine gewisse Arbeit im Innern stattfindet. Vielleicht deswegen, weil es ein Gespräch mit dem Herrn ist, und in jedem Gespräch wird das Herz im Dialog geöffnet. Und wenn man im Dialog offen ist, ist man nach dem Gespräch nie wieder dieselbe Person wie vorher; doch es hat, wenn auch ganz geringfügig, eine Veränderung stattgefunden.
Während der Pilgerreise schien dieser Prozess beschleunigt worden zu sein. Mein Verstand, der seinen Lebensunterhalt als Akademiker wie auch als Priester verdient, wurde gefesselt an das anbetende Herz auf eine Weise, die meinen normalen Lebensstil umgekehrt hat. Einige Zeit lang habe ich darüber nachgedacht, wie sehr sich der Verstand und das Herz zueinander in einer Form von Jüngerschaft verhalten sollten. Mein Schlüssel dazu müßte in dem orthodoxen Aphorismus liegen, dass man vor den Wahren Gott mit seinem wahren Selbst, mit dem Verstand im Herzen, treten soll.
Ich merkte während dieser Pilgerfahrt, dass sich viele meiner üblichen Ansichten schnell änderten. Das Herz hatte den Vorrang. Der Verstand hat eine Aufgabe zu erfüllen, und ich liebe das. Doch die Priorität hatte das Herz, und der Verstand wurde aufgefordert, im Herzen zu stehen, vom Herzen umschlossen zu sein. Bei der Anbetung kommt der Verstand mehr und mehr zur Ruhe, während das Herz zum dominierenden Partner wird. Etwas bei der Pilgerfahrt wühlte das Herz auf eine besondere Art auf. Vielleicht war es die Tatsache, dass man sich in Begleitung der ganzen Kirche befand - vielleicht weil so viel vorher gebetet wurde - es kann auch die Kraft der vereinten Kirche gewesen sein, die in Liebe und Anbetung in solch einer einzigartigen Weise gegenwärtig war; doch es hatte den Effekt, die innere Läuterung zu beschleunigen, welche die Gegenwart Gottes mit sich bringt.
MENSCHEN
Einer der erfreulichsten Gesichtspunkte der Pilgerreise ist die Erwartung der Menschen, zu denen der Herr uns schickt und die Er uns zuführt. Auf jeder unserer beiden Pilgerreisen prägten sich Menschen in mein Gedächtnis ein, ebenso sehr wie Orte. So können zufällig bei einem Essen gesagte Worte zu einschneidenden Worten werden, gemeißelt vom Heiligen Geist, die zu einer Situation passen, die man kaum kannte, über die man aber sprechen musste. Die Pilgerreise nimmt fast die Form einer lange hingezogenen Beichte an, in der Dinge mitgeteilt, freigesprochen und in der Dynamik des Königreiches im Himmel verarbeitet werden. Da war so viel Weisheit. Und sogar die weniger gehaltvollen Gespräche waren gekennzeichnet von einem Strom der Liebe, der Vertrautheit und der Freundlichkeit, der die Tage verschönerte. Ohne über die Gespräche eingehend zu erzählen, ist es nicht leicht, einen Begriff davon zu vermitteln, wie stark diese wohlwollende Intensität der Begegnung in diesen Tagen war. Vor allem vielleicht, weil dieser Trost, dass man sich danach sehnt, den Herrn zu lieben, Ihm zu begegnen und Ihm nahe zu bleiben, normaler war als die tägliche Routine des Alltags ohne diese Kameraden.
Während meines ganzen christlichen Lebens habe ich mich so gefreut, wenn die Gegenwart Christi aus den Augen einer Person, die Ihn in ihrem Herzen trägt, herausspringt. Auf dieser Pilgerreise wird eine meiner besten Erinnerungen die an einen oder zwei Priesterbrüder sein, besonders die, deren Englischkenntnisse dürftig oder gar nicht vorhanden waren, doch mit denen mich eine tiefe Liebe verband, und auch ein sehr tiefer Respekt, als ich erkannte, wie viel von Jesus sie in ihren Augen, in ihrer Seele und in ihrem Herzen trugen. Das war die Einheit der Kirche, das Charisma Christi. Das war meine Nahrung für die Reise sowohl dieser Pilgerfahrt des Wahren Lebens in Gott als auch der anderen, welche das Geschenk meines Lebens ist.
Pfr Gavin Ashenden.
Kanonischer Pfarrer Dr. Gavin Ashenden (LL.B. B.A., M.Th, D.Phil)
Hauptgeistlicher und Dozent für Religionspsychologie an der Universität von Sussex, Prüfungsgeistlicher des Bischofs von Chichester, Diözesanberater für New-Age-Religionen, Mitglied der Generalsynode der Kirche von England |