Ein Brief unseres Herrn an Seine Kirche
Pater Christian Curty OFM
Priester und Exorzist, Marianischen Priesterbewegung
Marseille, Frankreich
in «automatischer» oder in hieratischer Schrift?
Es ist bekannt, dass Vassula
die Botschaften, die der Herr uns übermitteln möchte, unter seinem Diktat schreibt. Dabei verändert sich ihre Schreibweise, die sich dann deutlich von ihrer gewohnten eigenen Handschrift unterscheidet. Während Vassulas persönliche Handschrift im allgemeinen klein und energisch, dabei aber ordentlich und willensstark erscheint und von einem sehr feinfühligen und beherrschten Gemütsleben zeugt, unterscheiden sich die Niederschriften der «Botschaften» in ihrer Anordnung, ihrer Klarheit, ihrer Regelmässigkeit der Schriftzüge und einer ganz bestimmten Majestät, in denen Vassulas Persönlichkeit sich ganz zurücknimmt und letztenendes hinter dem, was lediglich wie eine etwas steife und künstliche Fassade
aussieht, verschwindet.
Daher rührt die Verwirrung, die manche Leute empfinden, wenn sie auch für die Botschaften aufgeschlossen sind, sich aber mit Recht über den Ursprung und die Echtheit dieser «Inspiration» Fragen stellen. Daher rührt vor allem das Misstrauen kritischer Geister, die in ihnen einen
schwerwiegenden Anhaltspunkt zu finden glauben, die Botschaften insgesamt anzufechten und in ihnen lediglich das tiefenpsychologisch zu erklärende Produkt Vassulas erkennen und die «Schriften» auf das bekannte Phänomen der «paranormalen» Schreibweise reduzieren wollen. Danach wäre es also nicht der Jesus des christlichen Glaubens
und der Offenbarung, der sich hier ausspricht, sondern Vassulas Unbewusstes, ja, vielleicht sogar ein anderer
«Geist», der in diesem Falle nur ein böser Geist sein könnte.
Was soll man also von all dem halten? Sehen wir uns einer
«Offenbarung» des Herrn, einem «Brief des Herrn an
Seine Kirche» oder einem einfachen Muster von sogenann
ter «automatischer» Schrift gegenüber? Ist es die Hand
des Herrn, die uns durch Vassulas Hand schreibt? Oder beschreibt uns Vassula wie in einem Trancezustand das, was
aus ihren unbewussten Tiefen oder «ferngesteuert» von einem
Parasitengeist aufsteigt, den wir in diesem Falle zu
identifizieren hätten, um uns nicht über das, was uns als
vom Herrn kommend vorgelegt wird, täuschen zu lassen.
Im ersteren Falle würde es sich um eine «inspirierte»
Schrift, im zweiten um eine «paranormale» oder «automatische» Schrift handeln.
Was ist "automatische" Schrift?
Man versteht darunter eine Schrift, die entweder von paranormalen Phänomenen oder von hellseherischen Prozessen
gelenkt wird. In unserem Exorzistenamt haben wir nicht
selten mit solchen Phänomenen zu tun. Die Hand der Person,
die sich in voller Absicht dieser Führung überlässt,
schreibt von selbst und nicht unter der Lenkung der bewusst
denkenden Intelligenz, sondern wie von einer unbekannten
und dem Willen des Schreibers fremden Kraft gesteuert.
Manchmal, in Grenzfällen, setzt sich schon beim
blossen Handkontakt das Schreibwerkzeug (der Bleistift
oder Kugelschreiber) von selbst in Bewegung, um eine
Botschaft aufzuschreiben.
Eine solche Botschaft kann hoch literarisch, also sehr
geistreich, aber auch skurrilen, lächerlichen oder vulgären Inhalts sein. Zuweilen beschreibt
sie ein wunderbares, paradiesisches «Jenseits» oder
gibt sich damit ab, dem Schreiber Ratschläge moralischer
Art oder einen Befehl für sein praktisches tägliches
Leben zu erteilen, wenn sie nicht einfach auf gestellte Fragen antwortet, zum Beispiel auf die Frage über die Identität: Wer bist du? — Hier geht es schon ins Gefährliche und Wahrsagerische über, um so mehr, als die «automatische» Schrift manchmal zukünftige
Ereignisse, die in der Tat eintreffen können, ankündigt.
Daher rührt die Verwirrung, die sie hervorruft. Sie kann
auch eine eingebildete, aber wahrscheinliche Vergangenheit
enthüllen, die den Schreiber in den trügerischen und
häretischen Glauben an eine Reinkarnation hinein zieht.
Wir wollen nicht weiter auf das Problem eines «Literaturguts», wie man es vielleicht
nennen könnte, der «automatischen» Schrift eingehen. Es
ist in der Tat selten, dass der Befragte, der z.B. vorgibt, der Dichter Lamartine zu sein, wirklich geniale Lamartine-Verse schreibt. Denn es ist immer das Unbewusste des Subjekts, das von lamartine’schen Gedanken erfüllt sein kann, das sich ausdrückt, und nicht der wohlbekannte Autor./p>
Um im Rahmen dieser Einleitung zu verbleiben, wollen
wir auch die manchmal schweren Risiken ausser acht
lassen, die derjenige läuft, der sich willentlich dem paranormalen Phänomen des «automatischen» Schreibens aussetzt — und zwar sowohl auf der Ebene seiner Persönlichkeit, die sich verdoppelt, da das Unbewusste die Oberhand gewinnt und das psychische Bewusstsein im Dämmerzustand oder im Zustand des passiven Zuhörens verbleibt (es kann sich im äussersten Falle eine Art künstlicher Schizophrenie ergeben) — als auch auf geistiger Ebene, wo ein böser Geist, der von der aussetzenden Wachsamkeit des Subjekts profitiert und sich
einschalten und so die Gewalt über die Person gewinnen kann. Irrsinn oder «Trance»-Zustand einerseits, parasitäres
Teufelseinwirken andererseits! Dies sind die beiden schweren Risiken, von denen man sich manchmal schwer wieder befreien kann.
Wie liegt der Fall bei Vassula?
Untersuchen wir nun, was bei Vassula vorgeht. Es geschieht
dreierlei:
-
Im ersten Falle erhält Vassula eine «Einsprache» des
Herrn, ein inneres Wort. Sie kann sich dabei in einer Kirche oder an einem öffentlichen Ort befinden. Wenn diese
Einsprache eine an alle gerichtete Botschaft ist, schreibt
sie ihren Inhalt nieder, so bald sie nach Hause zurückgekehrt ist. Dann wird ihre Hand von der Hand des Herrn geführt, und das graphische Profil ihrer persönlichen kleinen, flinken, leicht nach rechts geneigten
Schrift verwandelt sich in eine aufrechte, wohlgeordnete, ruhige und klare, ziemlich emotionslose Handschrift. Jedenfalls handelt es sich nicht um «automatische» Schrift, denn zunächst hatte sie innerlich das Wort erhalten, dann erst diese Einsprache schriftlich aufgezeichnet. Wir haben es hier nicht mit dem Paranormalen
zu tun.
-
Im zweiten Falle handelt es sich um ein Diktat des
Herrn an Vassula, die lediglich das, was sie hört, aufs Blatt überträgt. Sie ist dann in der gleichen Situation wie eine Stenotypistin vor ihrem Chef. Das heisst, sie behält alle ihre persönliche Selbstverfügung, ihre Eigeninitiative und die volle Verbindung mit ihrer
Umgebung. Sie kann also jeden Augenblick das Diktat unterbrechen, z.B. um einen Telefonanruf zu beantworten,
und es an der unterbrochenen Stelle wieder aufnehmen. Und
auch hier ist das Schriftbild ihrer Buchstaben nicht das ihrer eigenen Handschrift. Es sind steile, vertikale Schriftzeichen, die leicht zu lesen, immer ruhig und in ihrem Atem gemessen dahinfliessen. Wenn auch ihre Schrift dann eine andere ist, so behält Vassula doch vollkommene Gewalt über sich selbst und über alle ihre Bewusstseinsfähigkeiten. Sie überschreibt lediglich mit
der Hand, was sie in innerer Vision von Jesus erhält und
was sie von der sie inspirierenden Stimme hört. Man ist also hier weit entfernt von «automatischer» Handschrift.
-
Der dritte Fall schliesslich,
der manchmal in den
zweiten miteinfliesst: Vassula
erhält eine innere Erleuchtung
ohne klar ausgesprochene
Worte eingegossen. Es ist das,
was die Mystiker «eingeprägte
Erkenntnisbilder» (dem Verstand
eingegossene Erleuchtungen)
des Geistes nennen;
um diese in unsere menschliche
und irdische Sprache, die
aus präzisen Worten und Satzkonstruktionen
besteht, zu
übertragen, sind mehrfache
und manchmal umständliche
Ausdrücke erforderlich. In
diesen Fällen muss Vassula
sich also beeilen, die gerade
erhaltene «Erkenntnis» aufzuschreiben,
und dafür benutzt
sie ihre eigene, persönliche
Schrift... aber dann interveniert
der Herr und formt die
von Vassulas Hand geschriebenen
Buchstaben in seine eigene
Schönschrift um, wie um
dieser Offenbarung den Beglaubigungsstempel
von Oben
aufzudrücken. Das ist auch
wieder keine «automatische»
Schreibweise.
Aber manchmal, wie um
uns zu überzeugen, geht der
Herr anders vor. Es kommt
tatsächlich vor, dass die mitzuteilenden
Botschaften sehr
lang und die zur Verfügung
stehende Zeit zu kurz sind.
Dann erlaubt der Herr Vassula,
das Diktat in ihrer eigenen
lebhaften und flinken
Schrift zu schreiben. Auch
dies beweist gut, dass Vassula
ganz und gar nicht an die Graphie
dessen, was sie aufschreibt,
gebunden ist, noch
von irgend einem Geist «ferngesteuert»
wird. Ihre geistli
che «Erfahrung» hat also
nichts mit dem Phänomen der
«automatischen» Schreibweise
zu tun.
Es ist eine hieratische (heilige) Schrift
Schauen wir uns diese ruhige,
gesetzte, in ihrem gemessenen
Schwung und von
vorn bis hinten von einer vertikalen
Bewegung durchzogene
Schrift einmal an. Die
Buchstaben der Mittellinie
oder die Vokale werden von
den Grundstrichen oder Aufund
Abstrichen, die vorherrschen,
nicht erdrückt und stehen
bequem in ihrem eigenen
Raum, wenn auch im Wortinnern
manchmal ein wenig gedrängt.
Der Text jedoch bekommt genügend Raum, kann "atmen".
Am meisten ins Auge fällt die ständige Hin- und Herbewegung
von Oben nach Unten und von Unten nach Oben. Die Schrift ist insgesamt tatsächlich sehr viel mehr vertikal als horizontal ausgerichtet, wobei die Oberlängen ganz eindeutig vorherrschen. Es wird nichts von dem Tiefen- und
Instinktleben verleugnet, aber die Tiefe wird von den
höheren Kräften gebändigt und beherrscht. In dieser Schrift ist auch nichts dem Vergangenen und — erstaunlich genug — nichts dem Zukünftigen zugewandt, so als ob lediglich der gegenwärtige Augenblick zählte oder vielmehr, als ob alles in einem einzigen HEUTE Gegenwart wäre.
Man findet auch kein Anzeichen
einer egozentrischen
Regression. Kein Anzeichen
eines Über-sich-selbst-Gebeugtseins
des Schreibers. Dagegen
gibt es diskrete, leichte
und immer erhebende Hinneigungen
zum anderen. Man
kann durchgängig eine grosse
Offenheit in Vornehmheit,
Adel und einer wunderbaren
Klarheit herauslesen. Was
zählt, ist einzig die immer wieder
aufsteigende und absteigende
Bewegung, die den inneren
Rhythmus ausmacht,
einmal zu den irdischen und
menschlichen Tiefen (die Bewegung
der Inkarnation), und
zum anderen durch die Erhebung,
die man nur als die zu
einem höheren Wesen hin vermuten
kann; dieses kann nur
der Vater sein.
Überdies ist ein wenig Steifes
und Künstliches in dieser
Handschrift, in der man nur
mit etwas mehr Mühe das so
sensible und den Schwankungen
unterworfene menschliche
Temperament durchscheinen
sehen kann (das man ja
auch in Vassulas spontaner
Handschrift findet); letzteres
wird hier allerdings bedeutungslos
und immerzu gegen
das, was nach Oben weist, zurückgenommen,
um schliesslich
hinter dem, was wie eine
Maske erscheinen könnte,
ganz zu verschwinden. So wie
sie ist, lässt diese Schrift tatsächlich
an das Hebräische
denken, jene par excellence
heilige Sprache (und Schrift),
in der Gott auf dem Sinai zu
Mose und zu Seinem Volke
sprach, um ihnen Seinen Plan
mit ihnen kundzutun. Das ist
der Grund, weshalb wir diese
Schrift als «hieratisch» (heilig,
priesterlich) bezeichnen
möchten.
Was ist das Hieratische?
Im antiken Theater verkleidete
der Schauspieler sein Gesicht
mit einer Maske, um sich
mit dem von ihm dargestellten
«Helden» oder der von ihm im
Drama gespielten Person zu
identifizieren. So verschwand
das Individuum — im allgemeinen,
wohlverstanden hinter
dem, den es darstellte. Etwas
von dem ist in der — nennen
wir sie einmal so — «hieratischen»
Schrift Vassulas,
die sie beim Diktat des Herrn
annimmt, enthalten. Vassula
verschwindet oder verschwimmt
ganz hinter Dem,
der uns schreibt. Gehen wir ruhig
noch weiter. In der Liturgie
ist die hieratische Geste,
die sich in dem ostkirchlichen
(oder orthodoxen) Hochgebet
erhalten hat (bis zum Konzil
war es auch in der römischen
oder lateinischen Liturgie so),
eine heilige, oder besser geheiligte,
Geste. Sie drückt
nicht ein menschliches Temperament
(das des Priesters
oder seiner Assistenten) aus,
welches er, ganz im Gegenteil,
unterdrückt und beherrscht.
Denn wenn die Geste auch
von einem Menschen, von einem
Wesen von Fleisch und
Blut mit seinem eigenen Charakter,
seinen Emotionen und
Schwächen, seiner nationalen
Eigenart vollzogen wird, so
ist sie doch vor allem eine
göttliche Geste. Alles, was
dem Individuum selbst eignet,
seine soziale oder geographische
Herkunft, soll in
den Schatten treten hinter
eine durch Raum und Zeit
hindurch unveränderlich andauernde
Attitüde, denn die
hieratische Geste ist eine zeitlose.
Es ist eine göttliche Geste,
die Er durch einen Menschen
ausführen lässt. Diese
Geste bleibt immer dieselbe,
quer durch klimatische oder
nationale Schwankungen
oder durch die Wechselfälle
der Jahrhunderte hindurch.
Daher rührt ihre scheinbare
Kühle und Steife! Hierin
steckt ein Risiko, denn wenn
diese Geste unwandelbar
bleibt, kann es geschehen, dass
sie nicht mehr vom Heiligen
Geist erfüllt ist und einem abgestorbenen
Ast, durch den
kein Saft mehr zirkuliert, ähnelt.
Daher hat das II. Vatikanische
Konzil die liturgischen
Gesten revitalisieren und ihnen
einen menschlicheren und
unserer modernen Empfindung
näherliegenden Charakter
geben wollen, wobei man
freilich dessen eingedenk bleiben
sollte, dass es sich um heilige
und nicht zuerst um mediatische
Gesten handelt. Die
Liturgie ist vor allem ein Gebet
und kein Schauspiel. Es ist
ein menschlich-göttliches
Werk und nicht nur der Ausdruck
unseres individuellen
oder kollektiven Empfindens.
Es ist nicht sicher, ob das letztere
Risiko in unserer konziliaren
Liturgie immer vermieden
wird.
Kehren wir aber zu der
«Schönschrift» des Herrn zurück
— wie Vassula diese
gern nennt. Es ist also eine
priesterliche, d.h. eine heilige
Schrift, die frei von menschlicher
Durchtränktheit, entindividualisiert
und herb, aber
auch ungemein majestätisch-feierlich
ist. Man bemerkt
wohl eine Empfindsamkeit,
die allerdings ganz von dem
Zug nach Oben hin aufgesogen
wird, d.h. auf das, was im
Menschen geistig ist, hinzielt.
Unabhängig von dem verstehbaren
Inhalt, den diese Schrift
trägt, vermittelt sie ihren
Empfängern, nämlich uns, einen
grossen Frieden und verbreitet
viel Licht und Gelöstheit.
Diese Schrift ist wahrhaftig
schön und kann auch
nur gut sein!
Warum diese hieratische Schrift?
Es bleibt uns übrig zu fragen:
Warum befleissigt sich der
Herr in den Botschaften an
Vassula einer solchen hieratischen
Schreibweise, die Er,
soweit mir bekannt ist, unter
ähnlichen Umständen nicht
anwendet? Tatsächlich erhalten
viele andere Seelen ebenfalls
göttliche Offenbarungen,
ohne dass dies an ihrer
Schreibweise zu erkennen ist!
Zunächst muss man fragen,
ob es wirklich zum ersten Mal
so geschieht? Sind nicht die
HEILIGEN SCHRIFTEN per
definitionem ein Werk Gottes?
Gewiss, sie sind von Menschenhand
geschrieben, jedoch unter
der Inspiration des Heiligen
Geistes, und dieser gefällt sich
darin, uns das in Erinnerung zu
rufen, denn in der Heiligen
Schrift sind zahlreiche Stellen
enthalten, an denen Er selbst
sich des handschriftlichen
Verfahrens bedient, sei es, um
Seine Botschaft aufzubewahren
und sie besser zu verbreiten
oder sei es vor allem, um sie in
unsere Herzen aus Fleisch einzugraben.
Dies widerfuhr dem Propheten
Habakuk, der, ähnlich
wie wir alle, angesichts des erstaunlichen
Schweigens Gottes
gegenüber den Flehrufen
seines Volkes und dem Überhandnehmen des Bösen aus
der Fassung gebracht, beschliesst:
«Auf meinen Posten
will ich mich begeben... und
Ausschau halten und sehen,
was er (der Herr) mir sagen
wird, was er auf meiner Klagen
erwidern wird... Jahwe
antwortete mir und sprach:
“Schreibe auf die Schauung
und grabe sie auf Tafeln ein,
damit man mühelos sie lesen
kann. Denn auf eine bestimmte
Zeit geht die Schauung,
sie eilt der Erfüllung zu...
Und lässt sie auf sich warten,
so harre darauf, denn sie
kommt sicher und bleibt nicht
aus: Siehe, es vergeht, wer
keine Redlichkeit in sich hat,
der Gerechte aber wird leben
durch seine Treue”» (Hab 2, 1-
4). Man darf ebenfalls die
«Briefe», die der Herr in der
Apokalypse an Seine sieben
Kirchen schreibt, damit vergleichen: «Dem Engel der
Gemeinde in Ephesus
SCHREIBE...» usw. (Off 2,1),
vor allem mit jenem unerwarteten,
aber sehr offenbarenden
Einschub: «Und als die sieben
Donner geredet hatten, wollte
ich schreiben. Da hörte ich
eine Stimme aus dem Himmel,
die sprach: «VERSIEGLE,
was die sieben Donner
geredet haben, und schreibe es
nicht auf!» (Off 10,4).
Wenn man auch in den zitierten
Fällen nicht versichern
kann, dass Gott selbst es war,
der durch die Hand des Propheten
schrieb, so gibt es dennoch
zwei Fälle, wo dies ausdrücklich
gesagt wird:
Ist es denn nicht in der Tat
Gott selbst, der durch Mosis
Hand die Zehn Gebote auf
harten Stein geschrieben hat,
um sie in die verhärteten Herzen
Seines Volkes einzugravieren?
Die Zehn Gebote waren
«von Gottes Finger geschrieben»
(Ex 31,18), aber sicherlich
durch die Hand Mosis.
Zum Beweis dafür: «Haue dir
zwei steinerne Tafeln zurecht...
und ich will auf die Tafeln die
Worte schreiben, die auf den
ersten Tafeln standen, die du
zerbrochen hast» (Ex 34,1).
Nun sprach Gott zu Mose:
«SCHREIB diese Worte
AUF...! Und er SCHRIEB auf
die Tafeln die Worte des Bundes,
die Zehn Worte» (Ex 34,
27-28). Wenn man auch die
beiden von der Hand Gottes
vermittels der Hand Mosis beschriebenen
Tafeln nicht gesehen
hat, so ist hingegen ganz
klar, dass die Buchstaben, die
«Skripten», die in hebräischer
Sprache waren, hieratische,
d.h. heilige, entpersonalisierte
Buchstaben waren. Sie verrieten
nichts von dem menschlichen
Temperament des Mose,
sondern spiegelten die Majestät
und die Transzendenz Gottes
wider, der nicht nur ihr Inspirator,
sondern buchstäblich
ihr Autor war: «Gott
SCHRIEB...» Man möge sich
daran erinnern, dass Jesus
selbst, der Gott-Mensch, das
Ewige Wort des Vaters, einmal
mit eigener Hand auf die Erde
geschrieben hat! (Jo 8,6). Für
die Augen des Glaubens ist es
einsichtig, dass jeder Versuch
einer graphologischen Analyse
vor dieser Schrift nur hätte
stammeln können; diese
Schriftzüge hätten sich keinem
bekannten charakterlichen und
notwendigerweise begrenzten
Rahmen zuordnen lassen; sie
kamen zweifellos den hieratischen
Schriftzügen Vassulas
näher als unseren personalisierten
Handschriften, die unserem
jeweiligen Charakter
entsprechen.
Ein Brief des Herrn an Seine Kirche
Wenn also der Herr, um zu
uns zu sprechen, normalerweise
nicht die flinke, gefühlsbetonte
und sehr bewegte
Schrift Vassulas benutzt, sondern
diese hieratische Schreibweise,
so hat Er Seine Gründe.
Mir scheint, dass ich in aller
Bescheidenheit und von meiner
bescheidenen Stellung aus
sagen darf:
In anderen Botschaften
an andere bevorzugte
Seelen wendet sich der Herr
an alle Seelen guten Willens,
manchmal an bestimmte Personen,
weitere Male an Gemeinschaften oder an die Gesamtheit
Seiner Gläubigen
(Hirten und Herde). Hier dagegen
wendet Er sich in erster
Linie an die Oberhirten, die
Träger in Seiner Kirche, jene,
die «Engel der Gemeinde
von...» genannt werden. Dieser
BRIEF an SEINE seit langem
so sehr zersplitterte KIRCHE,
die noch weiterhin von
internen Schismen bedroht ist,
an denen oft mehr persönliche
Gründe, als solche unterschiedlicher
liturgischer Traditionen
oder verschiedenartiger
theologischer Schulen
schuld sind. Wer könnte denn
ausser dem Gott-Menschen
selbst von sich behaupten, in
einer einzigen Spiritualität, in
einer einzigen theologischen
Vision, in einem einzigen heiligen
Ritus das ganze unaussprechliche
Mysterium der
Drei, die EINES sind, zusammenzufassen?
An diesem Zeitenende, am
Ende der Zeit der Nationen,
will Jesus uns «handgreiflich»
zeigen, dass Er es ist, der zu
uns spricht und der uns
schreibt. Die irdische Sekretärin
ist unwichtig und muss vor
unseren Augen in den Hintergrund
treten.
Und zwar soweit, dass sogar
ihre persönliche Handschrift,
die uns ihren Charakter offenbart,
hinter der scheinbar unpersönlichen
und künstlichen
oder vielmehr transzendenten
Schrift verschwimmen muss,
genau so, wie das Einzeltemperament
der maschineschreibenden
Sekretärin, das sich in ihrem
Hand-Skriptum widerspiegelt,
ganz und gar hinter den
Druckbuchstaben der Schreibmaschine
verschwindet.
Es ist also der Herr, der
Gott-Mensch, der zu uns
spricht. Derjenige, der alle
charakterlichen oder graphologischen
Raster, in die man
ihn einordnen wollte, sprengen
muss. Derjenige, der alle
unsere psychologischen
Denkkategorien, alle unsere
theologischen Schulen, mit
denen man Ihn zu definieren
versuchen wollte, überschreitet,
Derjenige, dessen Mysterium
stammelnd auszusprechen
sich all unsere heiligen
Riten und unterschiedlichen
liturgischen Traditionen bemühen,
ohne es jemals ausschöpfen
zu können.
Und Er spricht zu Seiner gespaltenen Kirche. Er schreibt ihr einen Brief, um ihr anzukündigen, dass Seine Wiederkehr nahe bevorsteht und lädt uns ein, unsere Herzen zu Seinem zu bekehren, in Vereinigung mit dem Herzen Seiner Mutter in dem wir den Pfad der Einheit einschlagen, besonders in der vereinten liturgischen Feier von Ostern.
Dann, wenn alle Jünger Jesu sich versöhnen und das Pascha des Herrn gemeinsam feiern, werden alle Menschen glauben können, dass der Auferstandene Jesus der Sohn Gottes und der Erlöser aller ist (Joh 17,21-13).
Will der Herr uns nicht vielleicht
noch etwas viel Tieferes
durch die hieratische und heilige
Form, die Er Seiner
Schrift gibt, die den Ikonen
und den hebräischen Schriftzeichen
so nahekommt, sagen,
gerade, weil das Hebräische
die Sprache der Offenbarung
ist? Will Er uns nicht darauf
hinweisen, dass Er der Autor
der Heiligen Schriften ist, die
unsere ganze Menschheitsgeschichte
erleuchten und dass Er
am Ende dieser Heiligen Geschichte
(der Heilsgeschichte)
persönlich eingreift, um das
Buch der Apokalypse zu entsiegeln
und uns ihr Geheimnis
zu enthüllen?
Man kann gar nicht umhin,
den Abschnitt aus dem Buch
der Geheimen Offenbarung,
der so sehr an Vassulas geistliche
Erfahrung erinnert, zu
zitieren: «Und ich... hörte hinter
mir eine mächtige Stimme,
wie die einer Posaune. Die
sprach: “Was du schaust,
schreibe in ein Buch und
sende (es) den sieben Gemeinden...”
Da wandte ich mich
um, die Stimme zu sehen, die
mit mir sprach; und wie ich
mich umgewandt hatte, sah
ich Sieben goldene Leuchter
(die sieben Kirchen) und inmitten
der Leuchter EINEN
gleich einem Menschensohn...
Er legte seine Rechte auf mich
und sprach: “Fürchte dich
nicht. Ich bin es, der Erste und
der Letzte und der LEBENDIGE...
Ein Toter bin ich gewesen,
doch siehe: Ich bin lebendig
in alle Ewigkeit und
halte die Schlüssel des Todes
und der Unterwelt...”» (Off
1,10-11;12;17-18).
«Ja, selig, wer ein Ohr hat
zu hören, was der Geist den
Gemeinden sagt und wer sich
an das hält, was darin geschrieben
steht, denn die Zeit
ist nahe» (Off 2,7;1,3).
Abschliessend möchte ich
bemerken, dass Gottes Sekretärin
Vassula Seine Diktate gewöhnlich
aus Ehrfurcht vor
ihrem Lehrmeister kniend
schreibt. Würden doch auch
wir diesen Brief des Herrn an
Seine Kirche, an die Sieben
Kirchen, die wir sind, wenigstens
geistigerweise auf den
Knien empfangen! |